Forschungsprogramm
Forschungsprogramm
Forschungsprogramm und einzelne Themenfelder mit Arbeitsfeldern
Das Promotionskolleg folgt der ansatzübergreifenden Annahme, dass die menschliche Sprache ein variierbares, (non-)verbales Zeichensystem mit hoher solidarischer, aber auch machtstruktureller Symbolkraft ist, das in sozialen Gruppen kommunikativ direkt bzw. medial im Sinne von „Speakers‘ Choices“ gebrauch- und erlernbar ist. Es resultieren folgende drei interagierende Arbeitsbereiche:
I Sprache als System (= z.B.: „Welche intentionsadäquaten grammatischen Mittel stehen Sprechenden zur Verfügung und wie bestimmen sie die Möglichkeiten der Mitbestimmung?“),
II Sprache in Gebrauch (= z.B.: „Was wird typischerweise in einer Situation gesagt und wie erlaubt bzw. grenzt dies die Mitbestimmung ein?“) und
III Sprache in Vermittlung (= z.B.: „Wie lässt sich Sprache erlernen bzw. vermitteln und sich somit Mitbestimmung gestalten?“).
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Jeder der drei Arbeitsbereiche beinhaltet vordergründig zwei verschiedene Ebenen:
1. symbolisch (= z.B.: „Was symbolisiert die verwendete Ausdrucksweise und wie lädt sie zur Mitbestimmung ein/ aus?“) bzw.
2. kommunikativ (= z.B.: „Wie entstehen bisher nicht übliche Ausdrucksweisen und wie werden sie verhandelt?“).
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Die drei Arbeitsbereiche und zwei Ebenen sind jeweils aus zwei Perspektiven betrachtbar:
1. noch nicht routinehaft (= z.B.: „Wie entstehen bisher nicht übliche Ausdrucksweisen und wie werden sie als Möglichkeiten bzw. Eingrenzungen der Mitbestimmung verhandelt?“) bzw.
2. routinehaft (z.B.: „Wie werden bisher übliche Ausdrucksweisen tradiert bzw. mitbestimmungsrelevant weiterentwickelt?“).
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Die sprachwissenschaftliche Gliederung des Themenfelds erlaubt die folgende ansatz- und methodenpluralistische Systematisierung der Promotionsthemen.
Sprache als System
Menschliche Sprachen gelten ansatzübergreifend als regelbasierte Systeme. Folglich unterliegen SprachGewalten als „Speakers‘ Choices“ systematischen sprachlichen Bedingungen. So können Sprechende des Deutschen zwar wählen zwischen systematisch angelegten vokativischen Beleidigungsmöglichkeiten wie „Du Dummkopf!“, „Dummkopf!“, „Du bist ein Dummkopf!“ etc., wobei allerdings z.B. possessivische Anschlüsse wie „Dein Dummkopf!“ im Deutschen nicht möglich sind (aber etwa im Schwedischen: „din dumskalle!“). Mögliche Fragestellungen sind:
I.1.a: Auf welchen sprachsystematischen Faktoren beruhen Symbole noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter Sprachgewalten?
I.1.b: Auf welchen sprachsystematischen Faktoren beruhen Symbole routinehafter mitbestimmungsrelevanter Sprachgewalten?
I.2.a: Auf welchen sprachsystematischen Faktoren beruht die Kommunikation noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter Sprachgewalten?
I.2.b: Auf welchen sprachsystematischen und medialen Faktoren beruht die Kommunikation routinehafter mitbestimmungsrelevanter Sprachgewalten?
Sprache in Gebrauch
Unbestritten ist, dass menschliche Sprachen – in Abhängigkeit von u.a. situativen, gruppenkonstellativen, geschlechtsspezifischen und kulturellen Kontextfaktoren – symbolisch und kommunikativ als „Speakers‘ Choices“ gebrauchbar sind: Ein Ausdruck wie „Du Dummkopf“ ist beispielsweise verschiedentlich interpretierbar als intentional gebrauchtes Schimpfwort, als provokatives Mittel (z.B. in „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein … .“) oder als freundschaftlich gemeinte Frotzelei zwischen eng befreundeten Kolleg:innen (z.B. „Ich schätze dich doch, Du Dummkopf!“), vgl. etwa Rothstein (2021). Mögliche Fragestellungen im Arbeitsbereich „Sprache in Gebrauch“ sind:
II.1.a: Auf welchen sprachgebrauchsbasierten Faktoren beruhen Symbole noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
II.1.b: Auf welchen sprachgebrauchsbasierten Faktoren beruhen Symbole routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
II.2.a: Auf welchen sprachgebrauchsbasierten Faktoren beruht die Kommunikation noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
II.2.b: Auf welchen sprachgebrauchsbasierten Faktoren beruht die Kommunikation routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
Sprache in Vermittlung
Ansatzübergreifend gilt als erwiesen: Die symbolischen und kommunikativen Funktionen des Systems und des Gebrauch menschlicher Sprachen werden durch gesellschaftliche Teilhabe erworben bzw. auf Basis gesteuerter, häufig bildungsinstitutionell getragener Maßnahmen etwa unterrichtlich erlernt (Rothstein 2010). Folglich wird ein Ausdruck wie „Du Dummkopf“ beispielsweise in natürlicher, nicht-gesteuerter, zwischenmenschlicher Interaktion erworben bzw. unterrichtlich mit dem Ziel sprachreflexivischen metakognitiven Wissens über seine Bedeutung und kommunikative Reichweite behandelt (Rothstein 2020).
III.1.a: Auf welchen sprachvermittelnden Faktoren beruhen Symbole noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
III.1.b: Auf welchen sprachvermittelnden Faktoren beruhen Symbole routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
III.2a: Auf welchen sprachvermittelnden Faktoren beruht die Kommunikation noch nicht routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
III.2.b: Auf welchen sprachvermittelnden Faktoren beruht die Kommunikation routinehafter mitbestimmungsrelevanter SprachGewalten?
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Begleitprogramm
Betreuungskonzept im Promotionsverbund
Das Promotionskolleg strukturiert international sichtbare, interdisziplinär feinabgestimmte und sozial eingebettete Forschung, indem es Arbeits-, Bildungs-, Geschichts-, Kommunikations-, Medien- und Sozialwissenschaften mit germanistischer, romanistischer und slawistischer Linguistik verbindet (federführend betreuende 6 Linguist:innen und weitere 7 Nicht-Linguist:innen). Alle Mitglieder des Promotionskollegs profitieren von dem systematischen, überfachlichen, methoden- und disziplinenüberwindenden Zugang, so dass neue Ansätze und Impulse durch das strukturierte und themen-, methoden- sowie zielgruppenadäquate interdisziplinäre Qualifikationsprogramm befördert werden.
Einbindung in Betreuungsstrukturen für Promovierende an der Hochschule
Das Promotionskolleg nutzt etablierte Betreuungstrukturen der Bochumer Nachwuchsförderung. Überfachliche Angebote der einschlägigen RUB-Institutionen (etwa Schreibberatung, Wissenschaftskommunikation, Karriereberatung und wissenschaftliches Englisch) komplettieren die kollegsinternen fachlichen und methodologischen Teile des strukturieren Promotionsprogramms. Alle kollegsinternen und -externen Maßnahmen werden mit dem Ziel der Synergieeffekte stiftenden gemeinsamen Weiterentwicklung untereinander geteilt.
Ausstattung, räumliche Arbeitssituation und Präsenz
Alle Kollegiat:innen, der/die PostDoc und die promovierte Abordnung sind vollwertige Mitglieder der RUB und profitieren entsprechend vollumfänglich von der Infrastruktur. Alle Kollegiat:innen, der/die PostDoc und die schulische Abordnung erhalten einen eigenen Arbeitsplatz mit eigenem Rechner in zusammenhängenden Räumen nahe des Sprecherbüros (Rothstein). Es wird von einer hohen Präsenz (4 Tage/Woche) ausgegangen, so dass nicht nur ein fachliches, sondern auch ein soziales Miteinander entstehen.
Vernetzung, Kooperation und Ausbildung (u.a. Workshops etc.)
Eine hohe Kollegkohärenz ist intendiert, alle Kollegiat:innen werden bidisziplinär und engmaschig durch jeweils verschieden zusammengesetzte Betreuendentandems mit jeweils 1 Linguist:in (Germanistik, Romanistik, Slavistik) und 1 Nicht-Linguist:in (Arbeits-, Bildungs-, Geschichts-, Kommunikations-, Medien- und Sozialwissenschaft) betreut. Innerhalb der drei Arbeitsbereiche I bis III (Sprache als System, Sprache in Gebrauch, Sprache in Vermittlung) werden promovierende Buddy-Paare jeweils zu symbolischen bzw. kommunikativen Aspekten von SprachGewalten gebildet, so dass zusätzlich ein besonders enger fachbezogener, aber auch sozialbestärkender Austausch entsteht, der durch einen monatlichen Kollegiat:innenstammtisch und Kollegiat:innensprechenden begünstigt wird. Alle Kollegiat:innen beginnen zum gleichen Zeitpunkt und durchlaufen folgendes Promotionsprogramm:
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Das Kolleg startet mit einer inhaltlich, methodologisch und sozial vernetzenden Kick-Off-Tagung, auf der die einzelnen Promotionen kurz vorgestellt und mit allen Betreuenden und weiteren vortragenden Gästen aus Wissenschaft, Gewerkschaften, Wirtschaft etc. diskutiert werden. In ihrem ersten Promotionssemester belegen alle Kollegiat:innen zusammen zwei interdisziplinäre, von mindestens drei Betreuenden gemeinsam angebotene thematisch einschlägige MasterClasses mit jeweils 2 Semesterwochenstunden, z.B. zu „Aktuelle Forschung zur Mitbestimmung“ oder „Sprache-Arbeit-Schnittstellen“, um sich auf gemeinsame Grundlagen ihrer Forschung zu verständigen. Die gesamte Kollegszeit über findet während der Vorlesungszeiten eine in der Regel zweiwöchentlich angebotene, von den Kollegiat:innen, der PostDoc-Stelle und der Abordnung organisierte Vortragsreihe mit anschließendem gemeinsamen Abendessen statt, zu der sie für ihr Feld einschlägige Vortragende (auch aus Gewerkschaften, Unternehmen, Betrieben etc.) einladen und auf der sie im dritten Semester selbst einen Vortrag halten. Ebenso kontinuierlich erfolgen individuelle Beratungen durch die Betreuenden, aber auch durch die PostDoc-Stelle und die Abordnung. Das zweite Semester dient der methodologischen Spezialisierung: Die Kollegiat:innen belegen einen für sie relevanten Methodenworkshop mit einem Umfang von ca. 2 Semesterwochenstunden, wobei auf das Angebot der RUB Research School, der Professional School of Education, dem Methodenzentrum der RUB und auf kollegsintern von den Betreuenden getragene Veranstaltungen zurückgegriffen wird. Sie tauschen sich mit ihren Betreuenden, untereinander in ihren Buddy-Paaren und auf der zweiten, im Übergang zum dritten Semester stattfindenden Klausurtagung in einem eigenen Zeitslot über ihre Methoden aus. Auf dieser zweiten Klausurtagung stellen die Buddy-Paare gemeinsam ihre Promotionen vor. Das erste und zweite Semester unterstützen damit die inhaltliche und methodische Einarbeitung der Kollegiat:innen, das dritte Semester beinhaltet zudem ein erstes übendes Vortragen der eigenen Forschung im hochschulöffentlichen Raum, d.h. in der bereits genannten Vortragsreihe des Promotionskollegs. Die Kollegiat:innen sollen zudem ab dem dritten Semester mindestens einmal ein Abstract für eine RUB-externe Fachkonferenz mit Begutachtungsverfahren einreichen. In Kooperation mit dem Zentrum für Wissenschaftsdidaktik der RUB belegen die Kollegiat:innen im vierten Semester ein schreibberatendes oder wahlweise ein wissenschaftsenglisches Angebot, um sich auf die ab dem fünften Semester anstehende Verschriftlichung ihrer Arbeiten vorzubereiten. Auf der Klausurtagung, die am Ende des vierten Semesters stattfindet, stellen die Kollegiat:innen ihre Forschungsarbeiten ausführlich vor. Es ist davon auszugehen, dass die Kollegiat:innen im fünften Semester über umfangreiche Forschungsergebnisse verfügen, die sich im Stadium von der reflektierenden Auswertung befinden, so dass ein auf Augenhöhe stattfindender Austausch mit Expert:innen ihres Spezialgebiets möglich wird. Sie richten daher in ihren Buddy-Paaren entweder an der RUB oder im Rahmen einer einschlägigen Konferenzsektion einen dissertationsbezogenen Expertenworkshop in Anwesenheit ihrer Betreuenden aus, was ihre weitere Vernetzung, Sichtbarkeit und Karriereplanung begünstigt. Im abschließenden sechsten Semester, das der endgültigen Verschriftlichung und Vorbereitung der Disputation gilt, organisiert das Kolleg im Rahmen der Vortragsreihe eine gemeinsam verantwortete wissenschaftskommunikative, öffentlichkeitsadressierende PodCast-Verstetigung seiner Ergebnisse (siehe Punkt 6). Die Kollegiat:innen können zudem eine Veranstaltung der Bochumer World Factory bzw. der RUB Research School zur weiteren Karriereplanung bzw. zu Gründungsmöglichkeiten belegen. Eine gemeinsam organisierte Cool-Down-Konferenz fasst die Ergebnisse zusammen und diskutiert sie mit Gästen. Im Anschluss an die ausgelaufenen Stipendien gibt die PostDoc-Stelle einen Sammelband heraus mit ausgewählten Beiträgen der Vortragsreihe, der Cool-Down-Konferenz und der Kollegiat:innen, der als Open Access in einer einschlägigen peer-reviewten Buchreihe erscheint. Die Abordnung finalisiert das Fortbildungskonzept und bereitet es als Open Educational Ressource auf. Erwartet und logistisch ermöglicht werden über die gesamte Kollegszeit die Teilnahme am Rahmenprogramm der Hans-Böckler-Stiftung und das Engagement in der Stipendiat:innengruppe. Quantitativ führt das Promotionsprogramm damit zu folgendem Output:
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